„Ein solcher Stillstand der ganzen Menschenwelt sucht in der Geschichte seinesgleichen. Mit dem Verbot, sich zu versammeln, wurde dem Theater sein Lebensraum genommen und das müde Flackern der Bildschirme macht uns nur umso schmerzhafter klar, dass Theater eine Hervorbringung von Gemeinschaft ist. Doch die Zeitläufte haben für die corona-geplagten Menschen auch eine hoffnungsvolle Nachricht: eines Tages geht es wieder weiter. Und mit dieser Botschaft aus der Vergangenheit lernen wir auch, dass das Puppentheater stets zu den ersten Hervorbringungen der menschlichen Spiel- und Schaulust gehört, die wieder aus den Ruinen emporstreben. Und das hat den selben Grund, aus dem man annehmen darf, dass das Puppentheater das erste Theater der Menschen war: es ist so einfach. Es ist so nahe-liegend im wörtlichen Sinn, denn er reicht ein einfacher Gegenstand, der vielleicht zwei Punkte als Augen oder eine erkennbare Nase hat. Nehmen wir dieses Fundstück und bewegen es mit Hingabe, so treten uns plötzlich – welch ein Wunder! – wir selbst entgegen. Im spielerisch bewegten Ding sehen wir uns in all unserer Hinfälligkeit und Beständigkeit. Unsere Sorge um uns selbst wird zu einer Figur. Dann aber bemerken wir, dass wir mit dieser Figur soviel anstellen können, so unendlich viel anstellen und erforschen können. Und während wir uns selbst in dem Ding betrachten, realisieren wir die vielen Möglichkeiten, die wir als Menschen haben. Wir können mehr als beschaffen, essen und schlafen. Wir können spielen und uns so die Welt zueigen machen, sei diese Welt häuslich-klein oder himmel-weit.
Das ist auch der Grund, warum in der Geschichte nach allen Katastrophen die Menschen wieder zusammen kamen und Puppentheater schauten. Weil sie sich selbst in dem Gegenstand wiedererkannten, und weil dieses bewegt-bewegende Ding-Wunder ihnen zeigte, was für Möglichkeiten sie hatten: im Spiel!“
Autor: Christian Fuchs, Regisseur und Puppenspieler